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Tiefschlaf

Verfasst: Sa 1. Aug 2020, 13:06
von Dinivan
Gerade war Fraya von ihrem Garten in Norka zurückgekehrt und wollte etwas im Schrank verstauen, als sie Geräusche von der Haustüre hörte. Schnell trat sie in die Stube, voller Freude, dass Robert auch schon da war und sie gemeinsam Zeit verbringen konnten.
Das breite Grinsen schwand jedoch schneller als der Balron einen zu Boden schickte, als sie ihn schwankend an der Stuhllehne stehen sah. Er krallte sich regelrecht fest, die Augen fielen ihm zu, die er mühsam immer wieder öffnete.

„Robert, was ist denn nur geschehen?“ mehr als nur besorgt rief sie es aus und eilte zu ihm hin, als er undeutlich etwas von Gegengift, falscher Trank und Schlaftrank murmelte. Er nestelte an seiner Rüstung herum, und als sie endlich begriff, dass er im Beutel den falschen Trank gegriffen und einen seiner Schlaftränke erwischt hatte, lachte sie erleichtert auf. Nicht dass es lustig gewesen wäre, konnte solch Trank in zu großer Dosis durchaus schädlich, wenn nicht sogar tödlich sein. Aber die Besorgnis bahnte sich so einen Weg aus ihrem Kopf und Herzen.
Schnell half sie ihm aus seiner Rüstung und sie war froh, dass er nicht wie manch andere als Blecheimermann herumlief, und zog ihn grob hinter sich her gen Bett. Würde er erst am Boden liegen, dann müsste er dort liegen bleiben…
Kaum lag er im Bett, setzte sie sich neben ihn und bettete seinen Kopf auf ihrem Schoß und strich ihm das zerzauste Haar aus der Stirn.
„ Ach Liebling, ich glaube du wirst erst einmal sehr lange, sehr tief schlafen und wenn du dann erwachst, wirst du dir wünschen du hättest weitergeschlafen….“ Seine Augen fielen nun zu und er glitt endgültig hinüber in den Schlaf.
Eine Weile saß sie so auf dem Bett und kraulte ihm gedankenversunken das vom Kämpfen nassgeschwitzte Haar, als sie plötzlich aufschreckte. Was wenn er tatsächlich viel zu viel davon geschluckt hatte und sein Leben langsam aus ihm wich? Sie hatte doch kaum Ahnung von der Heilkunde. Vorsichtig bettete sie seinen Kopf auf dem Kissen und deckte ihn mit einem leichten Leintuch zu und hauchte ihm einen zärtlichen Kuss auf seine Lippen. Dann verließ sie das Haus gen Freienfelser Bibliothek, um dort Antworten auf ihre Fragen zu finden.
Dort saß sie einige Zeit und blätterte in den dicken Wälzern der Heilkunde und würde Robert jemals mit Warzen am Gesäß zuhause auftauchen, so wüsste sie sofort was zu tun sei. Dergleichen unnützes las sie und seufzte immer tiefer. Nirgendwo fand sich ein Hinweis wie eine Vergiftung durch Schlafmittel zu behandeln sei und so beschloss sie in Masca den Heiler Cam aufzusuchen und ihn um Rat zu bitten.

„Wat für Zeuch hat der olle Kerl genomm`n? Schlafmüttell? Joar, nu… da kann ich joar kaaum hölfn.
Könnt ja nu allet sein, nech? Gibst ´em aainfaach ma` Stärkungstraank, nech. Wird scho helfn. So alle zwo Stund` nen Fläschken. Is joar ´n Wolf, die haut so schnell nüscht um. Guckst dasser warm bleiwt, er könnt frier`n. Un wenn er nimmer schnaauft, dann klopfst em krääftig die Backn. Un wenn er stürbt, dann schmeißt`n zu `n Fischn. Un nu hab ich Feieraabnd. Kommst morn wieder, oder sou!“
sprachs und ging gen Piets Kaschemme, um sich den wohlverdienten Grog einzuverleiben.
Lange genug war sie unterwegs gewesen und nun eilte sie nach Hause, sie hoffte dass der alte Zausel tatsächlich noch schnaufte und nicht schon steif in ihrem Bette lag. Obgleich es ihr durch den Kopf schoß, dass dies tatsächlich mal etwas Neues wäre… aber sogleich verdrängte sie diesen Gedanken, wollte sie ihn schon noch eine Weile behalten. Panik machte sich in ihr breit, was wenn es ihm nicht gut ging? Er lag alleine zuhause und es war niemand da, der ihm helfen konnte und sie vertrödelte Zeit, die sie bei ihm verbringen sollte…
Sie stürmte nach Hause, machte sich erst einmal nicht die Mühe die Haustüre sorgsam zu verschließen und blieb schwer atmend vor dem Bett stehen. Er lag noch genauso wie zuvor in seinem Bett. Es schien als hätte er sich keinen Fingerbreit gerührt, das Gesicht nach wie vor ausdrucklos, schlaff wie eine Puppe. Angestrengt schaute sie auf seine Brust, hob sie sich überhaupt noch?
Sollte sie sich so langsam heben und senken? Schnaufte er normal? Wie atmete denn ein Mensch im Schlafe? War er schon immer so hell gebräunt gewesen oder war das schon Blässe? Müsste er sich nicht trotzdem irgendwie regen? Träumte man denn nicht, wenn der Schlaf durch einen Trank geschenkt wurde? Fragen über Fragen…
Nachdem sie die Türe sorgsam verschlossen und in ihren Truhen nach Stärketränken gesucht, gefunden und in ihrem Beutel verstaut hatte, nahm sie die Waschschüssel und füllte sie mit warmen Wasser, nahm die Seife und ein Handtuch und eilte wieder ins gemeinsame Schlafzimmer. Er hatte sich immer noch nicht gerührt. Bekümmert seufzte sie auf, er, der sonst wie ein Fels in der Brandung war, war nun gerade kaum größer als ein Kieselsteinchen und sein Leben lag in ihrer Hand.
Als sie ihm über die Stirn strich bemerkte sie, dass diese sehr kühl war, ebenso der Rest an ihm war ausgekühlt. Sie erinnerte sich an Cams Worte. Sie griff in ihren Beutel und zog ein Fläschchen mit durchsichtiger Essenz heraus und entkorkte es. Sachte schob sie ihre linke Hand in seinen Nacken und hob den Kopf etwas an, setzte das Trankfläschchen an seine Lippen und schob es ein wenig in seinen Mund und ließ den Inhalt langsam in seinen Mund laufen. Sachte massierte sie dann seinen Hals um ihn zum Schlucken zu animieren und lächelte erleichtert als er genau jenes tat.
Rasch wusch sie ihn, wusste sie doch dass er darauf sehr viel Wert legte und deckte ihn dann sorgsam mit einer dickeren Decke wieder zu. Das Kohlebecken, welches in dieser Jahreszeit ungenutzt in der Ecke stand zog sie weiter in den Raum und entfachte ein kleines Feuer, das bald mit seiner Glut einen Stein erwärmte, den sie ihm später gut in Stoff gewickelt unter die Decke legte.
Auf der Kommode neben seinem Bett standen noch einige Stärketränke in Reih und Glied und warteten darauf eingeflößt zu werden. Müde und erschöpft legte sie sich neben ihn und betrachtete ihn lange. Heiße Tränen stiegen in ihre Augen und bahnten sich den Weg ihre Wangen hinab, Verzweiflung, aber auch Wut und Angst überrollten sie.

„ Käuzchen, warum nur schaffst du es ständig dich in solch Situationen zu bringen? Ist deine Sehnsucht nach dem Leben so groß, dass du immer erst die Gefahr suchen und spüren musst? Ist das Leben denn vorher nichts wert? Muss ich immerzu in Sorge um dich leben und jeden Tag aufs Neue hoffen dich abends wieder in meine Arme schließen zu können? Ich habe so lange auf dich gewartet, niemals gedacht, dass es wieder ein wir geben könnte… aber mit solch Ängsten um dich… habe ich nicht gerechnet..
Überhaupt, warum nur trägst du solch Tränke mit dir herum? Nimmst du sie immer noch zu dir? Hatte ich doch gedacht, dass du sie nicht mehr brauchst….“

Ganz dicht rückte sie an ihn heran, nahm seine Hand in ihre und streichelte sie liebevoll, legte sie sich an ihre Wange und schloß ihre Augen. Ein wenig wollte sie ruhen, bevor er den nächsten Trank brauchte und sie dann seinen Beutel ausmisten würde…